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Eine neue Definition von Familie

Heute hatte ich einen Gedanken: wir brauchen eine neue Definition von Familie! Warum?

Täglich setzen meine Mitstreiter*innen und ich uns damit auseinander, dass unsere Community diskriminiert wird. Und nicht nur Solomütter und Co-Eltern, sondern auch Regenbogenfamilien, Familien mit Leihmutter, aber eben auch Alleinerziehende. Eben alle alternativen Familienmodelle:

  • Solomütter müssen sich mit unfreundlichen, sich querstellenden oder sogar hasserfüllten Ämtern, Kitas, Kommentaren und Personen und Diskriminierung herumschlagen.
  • Co-Eltern wird Egoismus, Berechnung und Lieblosigkeit vorgeworfen, ihnen wird abgesprochen, eine „echte“ Familie zu sein.
  • Regenbogenfamilien mit zwei Müttern müssen den aufwändigen und diskriminierenden Prozess der Stiefkind Adoption durchlaufen. Zwei Väter erleben Diskriminierung auf allen Ebenen.
  • Alleinerziehenden wird das Kindergeld vom Unterhaltvorschuss abgezogen und so ziemlich jede andere Ungerechtigkeit angetan.

Aktuelle Realität in Deutschland

Die heteronormative Kleinfamilie, nämlich Vater-Mutter-Kind, noch nicht mal Mutter-Vater-Kind, ist immer noch der Goldstandard. Nicht nur in den Köpfen der meisten Personen, sondern auch für unseren Staat. Was vor 50 Jahren sicher sinnvoll war und alle abgeholt hat, ist heute ziemlich weit an der Realität von ziemlich vielen Familien vorbei.

In Deutschland gibt es mehr als acht Millionen Familien mit minderjährigen Kindern. Davon sind 18 Prozent alleinerziehend, also Mütter oder Väter, die allein mit ihren Kindern im Haushalt leben. In der Zeit von 1996 bis 2021 ist die Anzahl der Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern von 1,3 Millionen auf knapp 1,5 Millionen angestiegen. Von den rund 13 Millionen Kindern unter 18 Jahren leben inzwischen 18 Prozent mit einem Elternteil im Haushalt. In neun von zehn Fällen ist dies die Mutter.

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Zu alternativen Familienmodellen gibt es wenig Zahlen, aber immerhin gab es in Deutschland 2018 schon 10.000 Kinder, die in Regenbogenfamilien leben, Tendenz wahrscheinlich steigend.

Um gegen all diese Ungerechtigkeiten für Solomütter anzukämpfen, haben wir den Verein Solomütter Deutschland e.V. gegründet, wir haben Definitionen für die Solomutter und Co-Elternschaft zur Diskussion gestellt. Zusammen mit uns kämpfen zum Beispiel der VAMV und solomütter.de für Alleinerziehende, der VFLLD setzt sich für Familien mit Leihmutter ein.

Aber was wäre, wenn wir gemeinsam das zugrunde liegende Problem angehen? Alleinerziehende, Solomütter, Co-Eltern, Regenbogenfamilien, Familien mit Leihmutter? Denn es geht hier nicht darum, wer am alleinerziehendsten ist oder am meisten diskriminiert wird. Es geht darum, den Grund für alle unsere gemeinsamen Probleme anzugehen. Den Grund, warum für so viele Eltern mit alternativen Familienmodellen so viele Probleme entstehen? Warum wir uns immer noch alternative Familienmodell nennen. Diesen Grund:

Nur Vater-Mutter-Kind sind eine Familie

Das ist das Kernproblem mit der heteronormativen Kleinfamilie in Deutschland und unserem Supportsystem, das auf dieser Definition aufbaut. Sie ist Patriarchat-zentriert. Alles, von der Steuerklasse bis zum Unterhaltsvorschuss dreht sich um das Dreierkonstrukt aus Vater und Mutter plus Kind und damit meistens um den Mann. Als Ernährer, als Vater, als abwesende Person. Er bekommt die Steuerklasse, von der Alleinerziehende nur träumen dürfen. Und wer sieht eine alleinerziehende Frau mit Kind(ern) als echte Familie? Niemand. Sie ist mit ihren Kindern eine kaputte Familie, weil die dritte Person fehlt. Ein alleinerziehender Mann ist ein Held. Eine Familie mit zwei Müttern kämpft im schlimmsten Fall gegen Windmühlen und das Jugendamt.

Da wir die 50er fast alle (immerhin einige) hinter uns gelassen haben, ist dieser Ansatz in der heutigen Zeit einfach nicht mehr zeitgemäß und verursacht für immer mehr Familien, die nicht mehr dieser Definition entsprechen, ziemlich überflüssige Probleme. Wir brauchen also eine neue Definition von Familie, von der Kernfamilie, die die Personen ins Zentrum stellt, um die sich Familie dreht: Kinder!

Gleichzeitig es soll eine Definition sein, bei der alle Arten von Familie mitgedacht werden. Auch soll niemand das Gefühl haben, etwas zu verlieren oder eine Familieform als besser angesehen werden als die andere. Sowas passiert ja öfter, wenn ein althergebrachtes diskriminierendes System sich öffnen soll. Wer sich unbedingt klassisch heteronormativ veorten möchte, findet sich ebenso wieder wie alle anderen Personen.

Eine neue Definition von Familie

Gemeinsam mit Katharina Horn habe ich überlegt und versucht, eine neue Formel zu finden, die alle mit einschließt. Denn Familie ist bunt, Familie ist da, wo Menschen sich lieben und für einander einstehen, egal, welche Personen beteiligt sind. Wir brauchen also eine Formel, die weder Geschlecht noch genetische Verwandtschaft als Bedingung hat. Und hier ist unser Vorschlag:

Kind(er) + 1 verantwortliche erwachsene Person + x = Familie

Schauen wir mal, ob das für alle passen könnte.

Und siehe da, jede Kombination ist möglich. x kann von niemand bis Großfamilie alles bedeuten. Familie ist da, wo Menschen sich lieben, Quantität bestimmt hier nicht die Qualität. Eine Ein-Eltern-Familie kann genauso wertvoll, liebevoll und sicher sein wie eine klassische Kleinfamilie mit Mutter-Vater-Kind oder eine Großfamilie mit vielen Geschwistern.

Das Kind steht im Zentrum, um es herum befinden sich Personen, die es lieben und versorgen. Und die dabei von unserem Staat unterstützt werden und zwar alle gleich. Kindergeld und am besten zusätzlich die kommende Kindergrundsicherung sind ja bereits an das Kind gekoppelt, ersteres allerdings mit Bedingungen, die bereits wieder das Kind benachteiligen (siehe Unterhaltsvorschuss).

Sogar die Steuerklasse könnte an das Kind gekoppelt sein und nicht an eine Ehe. Dann würde tatsächlich das zusätzliche Geld auch da ankommen, wo es landen soll. Bei der Familie und deren Zentrum, den Kindern.

Gibt es ja schon!

Ich habe schon die ersten Diskussionen geführt und siehe da:

Die Familie umfasst im Mikro­zensus alle Eltern-Kind-Gemeinschaften, das heißt Ehepaare, nichteheliche (gemischt­geschlechtliche) und gleich­geschlechtliche Lebens­gemeinschaften sowie Allein­erziehende mit Kindern im Haushalt. Einbezogen sind – neben leiblichen Kindern – auch Stief-, Pflege- und Adoptiv­kinder ohne Alters­begrenzung. Damit besteht eine Familie immer aus zwei Generationen: Eltern/-teile und im Haushalt lebende Kinder. 

Kinder, die noch gemeinsam mit den Eltern in einem Haushalt leben, dort aber bereits eigene Kinder versorgen, sowie Kinder die mit einem Partner in einer Lebens­gemeinschaft leben, werden im Mikro­zensus nicht der Herkunfts­familie zugerechnet, sondern zählen statistisch als eigene Familie beziehungsweise Lebensform.

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Das klingt doch schonmal ganz gut. Warum wird das denn nicht genutzt? Weil es ganz schön schwierig ist, eine Definition zu finden, die sich in allen rechtlichen Bereichen wie Unterhalt, Steuerklasse,Abstammungsrecht auch nutzen lässt.

Braucht Familien eine neue Definition?

Wie immer stelle ich unsere Idee zur Diskussion. Wie siehst du das? Habe ich etwas nicht bedacht oder hast du eine noch viel bessere Idee? Schreib mir deine Meinung in die Kommentare oder schick mir eine Email, wenn du dich nicht öffentlich äußern möchtest.

Ich freue mich darauf, von dir zu hören oder hier zu diskutieren.

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