Oh, Weihnachten, das Fest der Familie. Oder eher das Fest der Fallstricke. Ist es in einer ganz normalen Familie schon fast unmöglich, die Feiertage harmonisch hinzubekommen, so ist es in Familien, die etwas weniger klassisch aufgebaut sind, eine mindestens genauso große Herausforderung. Oder eben eine noch viel größere. Weihnachten in getrennt lebenden Familien kann von harmonisch bis höllisch so ziemlich jede Ausprägung annehmen.
Auf einmal ist alles anders
Ich schreibe bewusst Weihnachten in getrennt lebenden Familien, denn das sind Co-Eltern technisch gesehen ja auch. Und besonders an Weihnachten kann der Fokus sehr schnell auf getrennt statt auf Co liegen. Denn an Weihnachten besinnen sich auf einmal alle auf die familiären Werte, auch wenn ihnen die den Rest des Jahres über egal sind. Egal in welcher Familienkonstellation. Da werden Väter, die sonst jedes Umgangswochenende meiden wie der Teufel das Weihwasser auf einmal zu Familienmenschen und pochen auf den Heiligen Abend. Wenn dann noch eine sehr engagierte Oma im Hintergrund agiert, dann wird aus Besinnlichkeit auch mal besinnungsloser Hass. Auch bei Co-Eltern.
Das sollte eigentlich anders sein, weil sich ursprünglich mal alle einig waren und im besten Fall vorher alle Eventualitäten besprochen haben (gerne mit meiner Checkliste für Co-Eltern zum kostenlosen Download). Das meine ich ernst, bitte besprecht vorher all solche besonderen Tage. Auch den Geburtstag des Kindes. Dann sollten sich hoffentlich weniger Probleme ergeben. Aber Weihnachten löst bei den meisten irgendetwas aus, irgendwie drehen an den Feiertage alle durch.
So läuft es bei mir
Wie groß mein Glück mit der Familie meines Co-Vaters war, ist mir erst jetzt bewusst geworden. In unserer Facebookgruppe Co-Mamas im Austausch wird gerade heiß diskutiert und so einige Probleme mit Weihnachten geteilt. Bei uns gibt es keine Probleme, da die Eltern des Vaters irgendein christlich orthodoxes Konzept leben. Das bedeutet, sie feiern Weihnachten am 6. Januar. Das hieß bei uns von Anfang an, das arme Kind muss zweimal Weihnachten feiern, an getrennten Daten, die niemals kollidieren. Mein Mitleid hat sie.
Und damit habe ich nie ein Problem an Weihnachten. Und Papa auch nicht. Er geht arbeiten am 24. Dezember, der Tag bedeutet ihm nichts. Für mich damals auch eines der Hauptargumente, mich für den Co-Papa zu entscheiden. Wie viel Ärger mir das erspart, war mir aber nicht klar. Dieses Jahr wird er wahrscheinlich nicht arbeiten, das steht noch nicht genau fest und dann ist er eben mit uns bei meiner Familie. Aber so einfach ist es in den meisten Fällen nicht.
Streitpunkt Weihnachten, Silvester und Geburtstag
Trotzdem haben Co-Eltern einen großen Vorteil. Eltern, die vorher ein Paar waren und jetzt getrennt sind, haben sich wahrscheinlich vor der Geburt des Kindes keine Gedanken gemacht, was Feiertage im Falle einer Trennung angeht. Ich sage es also nochmal, diesen Vorteil solltest du nutzen. Besprecht alle Feiertage, auch den Geburtstag des Kindes ausführlichst vorher. Und aus Gründen: haltet das schriftlich fest. Dann habt ihr im Falle einer Meinungsverschiedenheit etwas vorzuweisen. Und ihr könnt euch erinnern, wie ihr angetreten seid. Es ist nämlich bei Co-Eltern genauso wie immer, wenn Menschen beteiligt sind. Zwei Menschen – zwei unterschiedliche Erinnerungen: „Haben wir so nicht besprochen, haben wir nie besprochen, das war aber ganz anders, hab ich so nie gesagt, ich habe es eigentlich genau andersrum gemeint!“
Eins muss dir aber klar sein: Meinungen ändern sich. Da hilft auch ein Schriftstück nicht. So wie keine Frau vorher weiß, wie sie als Mutter sein wird, so ist es auch beim Vater. Wenn ein Mann dachte, er legt auf Weihnachten ja gar keinen Wert, kann sich auch das komplett ändern, wenn das Kind da ist. Wenn eine Frau dachte, sie kann Weihnachten auch ohne Kind, kann sich das wirklich komplett ändern und der Gedanke wird unerträglich. Trotzdem kann es sehr hilfreich sein, sich vorher intensiv auseinander gesetzt zu haben. Übrigens auch als getrenntes Paar lohnt es sich, im April schonmal über Weihnachten zu sprechen. Mit ganz viel Reden kann Weihnachten in getrennt lebenden Familien vielleicht doch noch zumindest ok verlaufen.
Die wichtigsten Fragen im Vorhinein
- Wo soll das Kind Heiligabend verbringen? Immer gleich oder im Jahreswechsel? Wenn jedes Jahr gewechselt werden soll, bitte auch dran denken, dass das Kind vielleicht etwas anderes möchte, wenn es älter ist. Und auch ein Mitspracherecht hat.
- Ist ein gemeinsamer Heiligabend möglich? Vielleicht am 24. alle zusammen Bescherung machen und dann den einen Feiertag bei der einen Familie und den anderen dann bei der anderen? Oder einfach eine neue Tradition für die eigene kleine Familie erfinden?
- Nicht zu unterschätzen sind Omas und der Rest der Kernfamilie. Wie ist die Meinung deiner Mutter? Steht sie hinter deinem Konzept? Wenn ja, sollte es entspannt sein, aber du weißt, wie das ist: „Wir haben doch schon immer so gefeiert, anders geht es nicht; aber die Tradition; also bei deinem Bruder ist das alles viel einfacher; musst du immer aus der Reihe tanzen; geht gar nicht, dass das Enkelkind nicht da ist; was, wenn das mein letztes Weihnachten ist; denk bitte auch an die Oma, die würde das nicht verkraften, was wenn das ihr letztes Weihnachten ist?“ Das sind absolut willkürlich ausgedachte Sätze, aber ich denke, du weißt, was ich meine.
- Was ist mein Plan B, wenn sich einer umentscheiden sollte. Angenommen, ihr habt abgesprochen, dass der Vater das Kind alle zwei Wochen am Wochenende hat und er eher weniger aktiv sein möchte. Und jetzt will er auf einmal das Kind an jedem Heiligabend haben? Etwas überspitzt, aber sicher Realität in ziemlich vielen getrennten Familien. Erscheint ziemlich ungerecht? Ist es auch, aber eine Lösung müsst ihr finden. Vielleicht ganz offen mal darüber reden, was hier die Motivation ist. Ob vielleicht einer Druck von der Familie bekommt, sich eigentlich doch lieber mehr einbringen möchte oder eben denkt, ein Heilig Abend macht 12 Monate Abwesenheit wett. Genauso bei Co-Eltern. Plötzlich will ein Elternteil alle vorher ausgehandelten Regeln über den Haufen werfen? Dann müsst ihr reden. Und reden. Und schauen, wie es klappt, dass alle nur von Weihnachtsgelage Bauchschmerzen haben.
Kompromisse, Kompromisse
Ein Kompromiss muss aber auch für alle ok sein. Zumindest halbwegs. Ihr seid ja angetreten, das Kind entspannt zu teilen, als Freunde. Jetzt müsst ihr tatsächlich auch so handeln. Wenn ein Elternteil extreme Bauchschmerzen mit der Situation hat, soll das natürlich nicht sein. Sowas merkt ja auch das Kind. Du hast ja eigentlich mit deinem Co-Vater das Glück, dass ihr eben nicht wie ein getrenntes Paar jeden Anlass zur Entfachung eines Rosenkrieges nehmen wolltet. Die Emotionen kochen tendenziell bei Co-Eltern nicht ganz so hoch wie bei ehemaligen Paaren, die insgeheim den anderen zum Teufel wünschen. Aber auch hier kann es ziemlich unchristlich zugehen, wenn ein Ego oder ein Herz verletzt wird.
Trotzdem ist es wichtig, das Problem genau zu besprechen und nicht einen für dich faulen Kompromiss zu schlucken, nur damit Ruhe herrscht. Denn Weihnachten wird wieder kommen. Every. Fucking. Year. Wenn es dieses Jahr nicht geklappt hat, dann nächstes Jahr rechtzeitig in neue Verhandlungen reingehen. Am besten emotionsfrei, soweit das geht. Im Spätsommer oder so. Aber Fakt ist, auch bei Co-Eltern wird es immer mal Streit geben.
Lasst euch helfen
Wenn sich gar keine Lösung findet, egal ob für Weihnachten oder andere Situationen, dann holt euch Hilfe. So wie eine Kinderwunschberatung im Vorhinein eine Unterstützung ist, so kann euch ein Elterncoaching oder eine Mediation vielleicht an den Punkt zurückbringen, von dem ihr gestartet seid: als Freunde gemeinsam ein Kind zu begleiten. Oder kann bei einem getrennten Paar daran erinnern, dass auch noch andere beteiligt sind an der Situation, nämlich kleine Menschen, deren Wohl ganz oben stehen sollte auf der Prioritätenliste.
Weihnachten in getrennt lebenden Familien
Vielleicht ist auch dieses so besondere Jahr 2020 eine Möglichkeit, etwas anders zu machen als schon immer. Denn dass immer das gleiche Weihnachten gefeiert werden muss, das ist zwar die Regel, aber in Stein gemeißelt muss sie ja nicht sein. Generell haben junge Eltern meistens nicht die Chance, eine eigene Weihnachtsroutine zu entwickeln, einfach weil Weihnachten „eben so gefeiert wird“. Das knallt ja schon bei Paaren, denn wenn deren Eltern wie immer feiern, ist das Paar an Weihnachten getrennt. Und die Enkeln? „Wieso sind die denn an Weihnachten immer bei der anderen Oma???“
Aber vielleicht brich Corona diese Strukturen etwas auf? Wir haben sonst immer einen Baum, der am Heiligabend morgens von den Kindern geschmückt wird. Da dieses Jahr bis zum 23. und unserem test nicht klar ist, ob wir zur Oma dürfen, wollte ich für meine Kleine die schön dekorierte Zeit etwas verlängern. Wir haben also seit dem ersten Dezember einen nachhaltigen Weihnachtsbaum aus Holz, das wir selber gesammelt haben. Einfach um einen Plan B zu haben, falls alles ins Wasser fällt. Vielleicht geht so etwas auch bei dir und deiner Familie? Und ihr etabliert klammheimlich eine neue Tradition?
Du siehst also, Weihnachten ist ein Minenfeld, versteckt unter Tannenzweigen, Lametta und jeder Menge Alkohol. In jeder Familie. Und irgendwie bekommen es alle am Ende doch hin. Auf die ein oder andere Weise. Du hast ja sowieso schon alles anders gemacht, dann tu das doch hier auch. Du findest ganz bestimmt eine Lösung.
Hast du als Co-Mama ähnliche Probleme oder willst so etwas gleich im Vorhinein vermeiden? Dann komm zu uns in die Facebookgruppe nur für Frauen:
