Der Krimi geht weiter
Im ersten Teil von Alex Kinderwunsch Geschichte hat sie auf dem Weg zur Co-Elternschaft ihren Ehemann kennengelernt. Sie beginnen relativ schnell damit, den Kinderwunsch zu forcieren. Zum Glück, denn dass sie eine künstliche Befruchtung brauchen würden, hätten beide nicht gedacht.
Obwohl die Beziehung sehr frisch war, legten wir direkt los
Aber zurück zu meiner damals noch sehr frischen Beziehung. Da Torsten ja auch Papa werden wollte und ihm mein fortgeschrittenes Alter bewusst war, haben wir auch relativ bald die Verhütung weggelassen. Im Gegenzug dazu bin ich seinem Wunsch nachgekommen, schon nach einer gemeinsamen Wohnung zu schauen. Das war für mich erstmal krass, da ich noch nie mit einem Partner zusammengelebt hatte. Mit Männern, ja, in WGs. Aber nicht so. Für mich hätte es ja durchaus gereicht, wenn wir nach einer Wohnung gucken würden, wenn ich schwanger wäre. Aber gut, wie sagen immer alle: in einer ernsthaften Beziehung muss man Kompromisse machen. Hatte ich ja schon lange nicht mehr in der Form.
Wir wurden auch schnell fündig und als wir zusammenzogen, war genau ein halbes Jahr vergangen seit dem ersten Kuss an jenem heißen Sommerabend im August. Die damals noch spannenden Versuche ein Baby zu machen, liefen zu diesem Zeitpunkt seit drei Monaten. Das übliche Prozedere: Ovulationstest, Sex, hinterher Beine und Popo hoch und ein Grinsen auf beiden Gesichtern bei dem Gedanken, es könne ja dieses Mal klappen. Aber irgendwie klappte gar nichts. Nochmals drei Monate später wussten wir auch, weshalb: Torstens Spermiogramm war sehr schlecht und sein Urologe hat sofort gesagt, dass das auf natürlichem Weg nichts werden wird. Das ist jetzt so ziemlich genau ein Jahr her und wir waren damals schon etwas genervt vom „Sex nach Plan”. Es gibt echt Romantischeres. Zuerst war ich sogar etwas erleichtert, dass wir jetzt nur noch Sex zum Spaß haben würden und der Rest den Ärzten überlassen können. Nach der dritten erfolglosen künstlichen Befruchtung denke ich da wieder anders drüber.
Die Kosten einer künstlichen Befruchtung werden nur bei Ehepaaren übernommen
In Deutschland hat man als Paar, das nicht auf natürlichem Weg schwanger werden kann, einige Hürden zu überwinden. Als erstes mussten wir heiraten, damit die Krankenkasse sich an den Kosten beteiligt. Also haben wir an einem Mittwoch im August geheiratet. Das war genau ein Jahr und zwei Wochen nach unserem ersten Kuss. Ich fand heiraten immer schön und wollte das auch auch gerne – aber nach nur einem Jahr Beziehung? Wow, das ging schnell! Immerhin wohnten wir da schon seit ein paar Monaten zusammen und wussten, worauf wir uns hier wirklich einlassen. Wir hatten eine sehr schöne Hochzeit im engsten Familienkreis, also alles gut. Und obwohl wir unter anderem aus sehr rationalen Gründen heiraten mussten, habe ich noch einen wunderschönen Heiratsantrag bekommen.
Wir sind im Familien- und Freundeskreis sehr offen mit den Gründen für unsere frühe Hochzeit umgegangen, anders hätte es sich für uns nicht gut angefühlt. Wir können natürlich verstehen, dass viele Paare mit kaum jemanden darüber sprechen, wenn sie auf künstliche Befruchtung angewiesen sind. Es ist ein sehr intimes Thema das mit Scham und dem Gefühl, kein „richtiger Mann” oder keine „vollwertige Frau” zu sein einhergeht. Uns persönlich haben der offene Umgang und die Gespräche mit anderen sehr geholfen.
In Deutschland ist es so, dass die Krankenkassen nur 50 Prozent der Kosten übernehmen – bis zum 40. Lebensjahr der Frau und dem 50. des Mannes, maximal drei Versuche. Einige Kassen übernehmen zeitweise auch noch die anderen 50 Prozent der Kosten, das wechselt aber jährlich. Wir haben dann kurz nach der Hochzeit auch noch die Krankenkasse gewechselt, um möglichst viel erstattet zu bekommen. Also nochmals zwei Monate Wartezeit, bis der erste Versuch endlich starten konnte. Aber das Warten war ich mittlerweile ja schon gewohnt – trotzdem hat es mich oft an den Rand der Verzweiflung getrieben. Ich wurde ja nicht jünger und meine Eizellen nicht frischer.
Die erste künstliche Befruchtung
Unsere erste ICSI (Intrazytoplasmatische Spermieninjektion) fand im Oktober 2019 statt und war erst einmal sehr spannend. Ich war aber auch einfach froh, dass es endlich mal losging. Zwei Wochen lang jeden Tag Hormone spritzen, regelmäßige Ultraschall-Termine und eine kleine OP unter Narkose, bei der meine Eizellen punktiert wurden. Danach wartete ich sehnlichst auf den Tag des Embryotransfers. Eigentlich bin ich ja eher ein pessimistischer Mensch, aber ich war jetzt absolut positiv gestimmt und hatte nicht daran gezweifelt, dass etwas schiefgehen könnte. Komisch wurde es dann, als ich am Tag des Transfers ewig auf den Rückruf warten musste, zu welcher Uhrzeit ich in der Klinik erscheinen solle.
Als dieser dann endlich kam, konnte mir meine Ärztin nur mitteilen, dass es leider keinen Transfer geben würde. Von meinen sechs Eizellen hatten sich drei befruchten lassen, aber keine hat es bis Tag 5 geschafft. Das war ein absoluter Schock. Ich war doch so optimistisch gewesen. Und jetzt war alles umsonst. Die ganzen Hormone hatte ich zwar gut vertragen, aber die psychische Komponente ist nicht zu unterschätzen. Man muss das ja auch irgendwie mit seinem Job hinbekommen. Bei der Arbeit habe ich irgendwas von Unterleibs-OP erzählt. Stimmte ja auch ein bisschen. Ist aber trotzdem blöd, weil ich wegen der ständigen Arzttermine ja auch ständig später kommen musste.
Der zweite Versuch
Dieser wurde dann Ende Dezember gestartet. Hier wurde an den Medikamenten noch etwas angepasst, um die Eizellreifung zu verbessern. An meinem Geburtstag musste ich dann noch erfahren, dass meine Schwägerin schwanger ist. Autsch! Wir hatten damals mehr oder weniger gleichzeitig angefangen, es zu versuchen. Auch wenn ich mich für meinen Bruder und seine Frau freue, hat es mir damals den kompletten Geburtstag vermiest. Wenn es bei einem selbst so schwierig ist mit dem schwanger werden, tun Schwangerschaftsverkündigungen im Familien- und Freundeskreis erstmal verdammt weh. Und das hat nichts damit zu tun, dass man es den anderen nicht gönnt. Man bekommt nur immer wieder vor Augen gehalten, was man selber gerne hätte, aber nicht bekommt. Und dabei ist Kinder zeugen doch eine so natürliche Sache. Mittlerweile weiß ich so viel über mögliche Gründe, nicht schwanger zu werden, dass es mich fast wundert, dass so viele Menschen Kinder bekommen.
Aber zurück zu unserem zweiten Versuch. Dieser hatte zwar viel bessere Chancen als der erste und es hat dieses Mal auch ein Transfer stattgefunden, schwanger bin ich aber wieder nicht geworden. Auch diese künstliche Befruchtung war umsonst! Die zwei Wochen zwischen Transfer und dem offiziellen Schwangerschaftstest in der Klinik sind kaum auszuhalten. Ich habe es auch nicht ausgehalten, sondern zwischendurch zu Hause getestet und wusste somit schon, dass es nicht geklappt hat. Zum Glück hatten wir eh Urlaub geplant und sind ein paar Tage später nach Portugal geflogen.
Die letzte künstliche Befruchtung
Bis zum dritten und für uns letzten Versuch, zogen ganze fünf Monate ins Land. Es gab weitere Untersuchungen und die Corona-Pandemie hat uns auch einmal einen Strich durch die Rechnung gemacht. Bei den Untersuchungen kam heraus, dass auch bei mir nicht alles in Ordnung ist und mein Immunsystem gegen die eingesetzten Embryos kämpft. So war eine Einnistung fast unmöglich. Schade ist, dass man eine der Diagnosen schon von Anfang an hätte berücksichtigen müssen, da ich eine Autoimmunerkrankung habe und mein Immunsystem auch deshalb schon sehr aktiv ist.
Neben speziellen Infusionen musste ich nun auch noch Cortison nehmen. Die Ärztin, die mir die Medikamente verschrieb, hat mich ganz unmissverständlich darauf hingewiesen, dass ich mit der Einnahme von Cortison zur Risikogruppe bzgl. Corona gehöre und bei einer Infektion ggf. beatmet werden muss und auch sterben könnte. Na toll, das waren ja super Aussichten! Da darf man sich dann erstmal überlegen, ob man für den Kinderwunsch sogar sein Leben aufs Spiel setzen würde. Aber ich tat es. Ich wollte nicht noch länger warten. Außerdem würde ich ein halbes Jahr später schon vierzig werden und Corona ist bis dahin wahrscheinlich auch noch immer ein Thema.
Der dritte Versuch war für mich der anstrengendste von allen
Ich hatte fast jeden Tag Arzttermine, musste noch mehr aufpassen, dass ich mich nicht mit Corona ansteckte und dann hing das Damoklesschwert über mir, dass diese künstliche Befruchtung die letzte Chance auf eine Schwangerschaft war. Auch körperlich ging es mir dieses Mal schlechter als die Male zuvor. Aber, nur dieser Versuch bot eine wirkliche reelle Chance. Neun Tage nach dem Transfer von zwei sehr gut entwickelten Blastozysten (frühes Stadium des Embryos) habe ich einen ersten Schwangerschaftstest gemacht. Und er war positiv! Da stand fett „schwanger” auf dem Display! Mein erster positiver Schwangerschaftstest! Yeah! Wir haben uns erstmal ganz leise gefreut, da wir wussten, dass sich das noch alles ändern kann. Aber trotzdem war es ein schönes Gefühl.
Eigentlich wollte ich ab da bis zum Bluttest in der Klinik durchhalten, aber das habe ich dann doch nicht geschafft. Drei Tage nach dem ersten Test habe ich nochmals einen gemacht. Und der war negativ. Ein weiterer ebenfalls. Was für eine Enttäuschung. Ich bin dann erstmal joggen gegangen, darauf musste ich ja schon seit drei Wochen verzichten. Aber jetzt war es ja egal. Da war nichts mehr in meinem Körper, auf das ich aufpassen musste. Leider. Auch die ganzen Hormone, die ich zum Aufbau der Gebärmutterschleimhaut nehmen musste, habe ich in den folgenden Tagen abgesetzt. Eigentlich soll man damit bis zum Bluttest in der Klinik warten, aber wofür? Selbst der Bluttest war für mich eine Tortur. Mir wurden zwei Venen zerstochen nur damit es nochmals offiziell dokumentiert werden kann, dass ich NICHT schwanger bin. Fuck!
Der Traum vom leiblichen Kind ist zu Ende
Einen richtigen Zusammenbruch hatte ich bis heute nicht, es kamen nur vereinzelt ein paar Tränen. Vielleicht, weil ich die ganze Zeit schon darauf eingestellt war, dass es auch nicht klappen könnte. Vielleicht aber auch, weil die Angst vor etwas oft schlimmer ist als die Gewissheit. Medizinisch sei noch nicht alles ausgereizt, sagte mir die Ärztin in der Klinik. Man könne durchaus noch eine vierte künstliche Befruchtung wagen. Dass wir keine 8.000 Euro dafür mal eben in der Portokasse haben, ist nur das eine Problem. Aber ich mag auch nicht mehr. Wir mögen nicht mehr. Die Zeit der Kinderwunschbehandlung ist anstrengend und man hangelt sich von Versuch zu Versuch. Weiß nicht, wie viel Geld man dafür noch zurücklegen muss und kann nichts planen. Denn, auch wenn unsere Krankenkasse einen Großteil der Kosten übernommen hat, gibt es immer noch einiges, was wir privat bezahlen mussten.
Trotz der Trauer darüber, mit dem Wunsch nach einem eigenen Kind abschließen zu müssen, bin ich gerade froh, mein Leben wieder normaler gestalten zu können. Ich kann wieder Freunde treffen, selber einkaufen gehen, joggen und Yoga machen. Natürlich hätte ich darauf für eine Schwangerschaft gerne verzichtet, aber ich muss die Dinge jetzt aus einer anderen Perspektive sehen. Und aus dieser Perspektive bin ich auch froh darüber, dass mein Körper bleibt, wie er ist. Auch wenn ich unheimlich gerne gestillt hätte.
Es führen auch noch andere Wege zum Wunschkind
Da wir beide tätowiert sind, haben wir beschlossen, uns als Abschluss für den Wunsch nach einem eigenen Kind ein gemeinsames Tattoo stechen zu lassen. „The End.” Es ist das Ende einer anstrengenden, aber auch spannenden und hoffnungsvollen Reise, deren bedeutendsten Teil Torsten und ich gemeinsam durchgestanden haben. Aber es ist auch der Anfang von etwas Neuem. Schon nach dem zweiten erfolglosen Versuch haben wir uns über Alternativen unterhalten. Unsere Alternative ist die Aufnahme eine Pflegekindes in Dauerpflege. Somit könnten wir einem Kind, das sonst kein schönes und geborgenes Zuhause hat, dieses geben. Die Bewerbung dafür läuft bereits.
Wie es im dritten Teil der Kinderwunsch Geschichte weitergeht, kannst du dir sicher vorstellen. Ob es weiterhin spannend bleibt? Abonniere doch meinen Blog, dann bekommst du eine email, wenn der nächste Teil online geht.
Schöner Artikel. Nach 2 Fehlgeburten nach Insemination führte uns der Weg zu 2 Adoptionen in Südamerika. Unsere Tochter ist jetzt 20.
Das war schon als Kind mein Weg – und war für meinen Mann und mich ein gangbarer Weg, den wir nicht bereut haben. Wir würden es wieder tun.
hallo jennifer! Gibt es schon teil 3 dieser geschichte? Liebe grüße aus wien
Liebe Iris,
Auf den dritten Teil müssen wir alle noch ein bisschen warten. Ich habe aber mit Alex schon gesprochen, sie wird uns einen Zwischenbericht schreiben, auch wenn sie noch kein Pflegekind bekommen haben. Es haben sehr viele nachgefragt, auch ich selber bin sehr gespannt.
Liebe Grüße
Jennifer