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Den Wunsch nach einem leiblichen Kind loslassen – Teil 3 einer Kinderwunsch Geschichte

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Alex ist wieder da mit einem Update zu ihrem Weg zum Wunschkind. 6 Monate ist es jetzt her, dass sie sich eingestehen musste, dass es wohl nicht klappen wird mit der künstlichen Befruchtung. Den Wunsch nach einem leiblichen Kind muss sie jetzt loslassen. Wie es ihr damit geht und wo sie gerade steht, das hat sie dir aufgeschrieben.

Loslassen und laufen lassen

Es ist schon eine Weile her, dass ich über meine, ähm, unsere missglückten Versuche, über künstliche Befruchtung schwanger zu werden, geschrieben habe. Fast ein halbes Jahr ist seitdem vergangen, es kommt mir aber viel kürzer vor. Am selben Tag, an dem ich trotz des Wissens, dass auch ICSI Nummer 3 nicht geklappt hat, in die Kinderwunschklinik zum Bluttest musste, hatten wir unser Informationsgespräch beim Pflegekinderdienst des Jugendamts. 9 Uhr Blutabnahme, 10 Uhr Infogespräch. Zufall, dass diese beiden Termine so nah aneinander lagen. Oder vielleicht doch ein schlechtes Omen? Ich weiß es nicht.

Ich versuche aufzuhören, die Dinge zu sehr zu hinterfragen. Wahrscheinlich hat alles einen übergeordneten Sinn. Oder, wie meine Mutter immer zu sagen pflegt „Wer weiß, wozu es gut ist.“ Hat auch meistens hingehauen. Hatte ich schon mal erwähnt, dass ich nicht gerade der Typ Mensch bin, der auf das Schicksal vertraut und stattdessen die Dinge lieber selbst in die Hand nimmt? Funktioniert leider nicht immer. Den Wunsch nach einem leiblichen Kind loslassen, das wird nicht leicht werden.

Der Weg zum Pflegekind

Also – zurück zum Termin im Jugendamt. Wir saßen zu viert in einem riesigen Raum mit viel Abstand, dafür ohne Masken. Corona war ja in vollem Gange. Die beiden Damen hatten unsere Bewerbungsunterlagen schon vorliegen. Mich hat es entspannt, noch während des dritten Versuchs die Sachen fertig zu haben und abzuschicken. Das Gespräch dauerte über eine Stunde und ich wäre mehrmals am liebsten panisch rausgelaufen. Zumindest im Kopf habe ich sinniert, ob nicht vielleicht doch eine Embryonenspende im Ausland machbar wäre. Das, was uns die ältere der beiden Damen erzählte, machte wenig Lust auf die Aufnahme eines Pflegekindes. Da wurden die schlimmsten Möglichkeiten ausgepackt. Die Krönung war dann der Satz „Ein Pflegekind ist kein Ersatz für ein leibliches Kind“.

Hm, okay, und jetzt? Wollten die uns loswerden? Oder einfach nur prüfen? Sorry, wir hätten ja echt gerne ein leibliches Kind gehabt, aber das hat jetzt irgendwie nicht funktioniert. Und wenn dann andere kleine Würmchen ein schlechtes Zuhause hatten und neue Eltern brauchen, die in der Lage sind, sich um das Kind zu kümmern – hello, here we are!

Wir sind da also relativ bedröppelt rausgegangen und uns war beiden klar, dass wir uns später nochmals darüber unterhalten müssen. Auch der Hinweis, dass wir doch mal schauen sollten, ob wir nicht doch noch das ein oder andere auf dem Fragebogen bzgl. eines potentiellen Pflegekindes zusätzlich ankreuzen wollten, machte uns ein komisches Gefühl. Na gut, wir hatten da tatsächlich zwei Fragen falsch verstanden. Aber wieso steht da als Ankreuzoption, dass der Kontakt mit den leiblichen Eltern des Kindes per Brief und Foto stattfinden könne, wenn das in der Realität überhaupt nicht zur Debatte steht. Deswegen würde man dieses Infogespräch auch eigentlich VOR dem Einreichen der Bewerbung führen. Unser Fehler. Oder meiner. Ich will ja immer alles sofort erledigen. Aktiv etwas zu tun, hat mir bis jetzt gut geholfen, den Wunsch nach einem leiblichen Kind loszulassen.

Warum Adoption für mich nicht in Frage kommt

Zu Hause haben wir dann nochmals darüber gesprochen, ob wir das wirklich wollen oder ob DINK (Double Income No Kids) nicht doch eine nette Alternative wäre. Jedes Jahr eine schöne Fernreise machen, jedes Konzert mitnehmen, auf das wir Bock haben, und eben all die Dinge, die man vor allem ohne Kinder super machen kann. Wir sind aber sehr schnell zu dem Schluss gekommen, dass das nicht das ist, was wir wollen. Wir möchten eine Familie sein.

Wer sich fragt, warum wir „nicht einfach ein Kind adoptieren“: Das ist eben nicht so einfach. Es gibt sehr wenige Kinder, die zur Adoption freigegeben werden und sehr viele Bewerberpaare. Da kann es sein, dass man Jahre warten muss, bis es klappt oder eben auch nie ein passendes Kind dabei ist. Natürlich gibt es auch die glücklichen Paare, die schon zwei Wochen nach Beendigung des Anerkennungsverfahrens einen kleinen Säugling in den Armen halten. Die Geduld für solch eine möglichweise sehr lange oder auch aussichtslose Warteschleife habe ich nicht mehr. Ich warte einfach schon zu lange. Deswegen kam die Bewerbung um Adoption für uns nicht in Frage.

Wie funktioniert die Langzeitpflege?

Ein Pflegekind aufzuziehen, ist zwar im Ganzen etwas „aufwändiger“ und man muss sich mit einigen anderen Personen regelmäßig absprechen, aber so unsicher, wie viele Menschen denken, ist das auch nicht. Zumindest bei der Langzeitpflege. Wenn ein Kind aus einer Familie herausgenommen wird, kommt es normalerweise erstmal zu einer Bereitschaftspflegefamilie, die darauf ausgelegt ist, sehr spontan ein Kind für eine begrenzte Zeit aufzunehmen. Diese Familien müssen leibliche Kinder haben, das ist meines Wissens so vorgegeben. Während das Kind in der Bereitschaftspflegefamilie ist, wird geprüft, ob sich die Eltern vielleicht wieder fangen oder ob es Familienangehörige gibt, die das Kind aufnehmen könnten. Erst wenn das alles überprüft und klar ist, dass das Kind nicht mehr bei der leiblichen Mutter oder Eltern leben kann, wird eine Dauerpflegefamilie gesucht.

Und da wird dann sehr genau darauf geachtet, dass Kind und Familie gut zueinander passen. Es geht nicht nach der Reihenfolge oder anderen Kriterien. Und mit der Restunsicherheit muss man dann leider zu leben lernen. Um uns mit unserer Entscheidung wirklich sicher zu sein, haben wir mit zwei Frauen gesprochen, die Kinder in Langzeitpflege aufgenommen haben. Die eine mit ihrem Mann aus ähnlicher Situation heraus wie wir und die andere zusätzlich zu ihren leiblichen Kindern. Und beide würden es sofort wieder tun und konnten nichts Schlechtes sagen. Eine bessere Bestätigung konnten wir gar nicht bekommen. Natürlich sind das nur zwei Fälle und es gibt sicherlich auch viele Pflegeeltern, bei denen das nicht so gut funktioniert. Aber in so einer Situation ist es einfach schön, positiv bestärkt zu werden. Das war dann nochmals ein schöner Kontrast zu dem Infogespräch beim Jugendamt.

Der Schmerz der kinderlosen Frau

Jetzt folgte die Warterei auf den ersten Termin für das Anerkennungsverfahren. Diese Zeit war für mich nicht immer leicht. Ich hing ja wieder in der Warteschleife. Arbeitete immer noch daran, den Wunsch nach einem leiblichen Kind loszulassen. Und dann noch die Schwangerschaftsverkündung einer meiner besten Freundinnen. Bäm! Damit hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht gerechnet. Hätte mein positiver Schwangerschaftstest vom dritten Versuch gehalten, wären wir gleich weit gewesen. Glücklicherweise ahnte meine Freundin, wie mir mit dieser Verkündung zu Mute sein würde. Zum einen freute ich mich total für sie, zum anderen hat es mich unheimlich traurig und auch neidisch gemacht. In diesem Moment wünschte ich mir für alle meine Freundinnen eine vorzeitige Menopause.

Das hört sich böse an, das weiß ich. Aber jede Frau, die ungewollt kinderlos ist, kennt diesen Schmerz. Immer wieder. Bis dann tatsächlich alle in den Wechseljahren stecken und keine Schwangerschaftsverkündungen mehr zu erwarten sind. Da hilft es dann auch nur, mit Freundinnen, die dieselbe Thematik haben, zu sprechen. Die können das einfach am besten nachempfinden. Zum Glück hält die Trauer bei mir immer nur ein paar Tage und dann kann ich mich ehrlich freuen. So war es auch dieses Mal.

Wieder warten, diesmal aufs Pflegekind

Am 1. September hatten wir dann endlich unser erstes offizielles Gespräch im Jugendamt. Das war der Start in das Anerkennungsverfahren. Ich war sehr glücklich darüber, dass wir eine unheimlich nette Sachbearbeiterin haben. Direkt zwei Wochen später folgte der zweite Termin und ein paar Tage darauf der Hausbesuch. Das hört sich nach wenig an, aber die Termine waren inhaltlich sehr intensiv und forderten schonungslose Offenheit. Und am Ende des Hausbesuchs wurde uns dann mitgeteilt, dass wir nun anerkannte Pflegeeltern seien. Damit hatten wir gar nicht gerechnet, dass das so schnell ging. Wir dachten, das Verfahren sei erst Ende des Jahres, nachdem wir auch die vier Pflegeeltern-Seminare besucht haben, abgeschlossen. Jetzt hätte tatsächlich schon ein paar Tage später der ersehnte Anruf kommen können. Wobei wir schon realistisch waren und wissen, dass es dann meistens sooo schnell doch nicht geht.

Ein Kinderzimmer sollte man noch nicht einrichten, aber was wir uns nicht verkneifen konnten, war, über ebay Kleinanzeigen ein Baby/Kinderbettchen zu kaufen. Das fühlte sich so schön an! Wir haben uns auf Kinder zwischen 0 und 3 Jahren beworben, das sollte schon passen. Ich gebe zu, ich hätte am liebsten sofort ein komplettes Kinderzimmer eingerichtet. Oder zumindest jede Menge Sachen gekauft. Die Mamikreisel-App war schnell installiert und auf Pinterest werden mir nur noch Kinderzimmer-Inspirationen angezeigt. Wie das wohl kommt? Aber da muss ich jetzt durch. Mit Disziplin und Geduld. Mal wieder. Und eigentlich brauche ich das zukünftige Kinderzimmer gerade eh noch als Arbeitszimmer.

Ach, die Arbeit, tja. Meinen Job habe ich im September dann auch noch gekündigt. Wenn schon, denn schon. Ab Januar arbeite ich endlich wieder freiberuflich als Designerin. Das hatte ich schon länger geplant, aber wenn man versucht, schwanger zu werden, macht die Aufgabe der Festanstellung nicht so viel Sinn. 

Der September war irgendwie ein super Monat. Ich befand mich auf jeden Fall für Wochen in einem Glücksgefühl-Hoch. Endlich konnte ich mein Leben wieder selbst in die Hand nehmen. Habe mit meiner schwangeren Freundin Nestbau-Pläne machen können und fühlte mich den Schwangeren ebenbürtig, so als „zukünftige Mutter“. Ich spürte auch keinen Neid mehr und war mir sicher, dass ich ab jetzt auf Schwangerschaftsbekanntgaben sehr entspannt reagieren würde. So ein Gefühl von „ich muss meinem Körper keine Geburt antun, um Mama zu werden“. Ein paar Erzählungen von dramatischen Geburten sowie unschöne Schwangerschaften haben mich darin nur bestärkt. Ich weiß, dass das eine einseitige Perspektive ist, aber mir hilft sie, mit dieser Situation klarzukommen. 

Den Wunsch nach einem leiblichen Kind loslassen – ein langer Prozess

Diese Sicht auf die Dinge kippt nur leider in der letzten Zeit des Öfteren. Das mag an der zunehmenden Dunkelheit, dem Lock Down oder einfach an Geschichten über Pflegekinder, die dann doch zurück zur leiblichen Familie mussten, liegen. Da kommen dann manchmal Zweifel hoch, ob wir nicht doch zu schnell aufgegeben haben. Und dass ich etwas sehr Elementares verpasse. Oder dass nichts von uns bleibt, wenn wir mal nicht mehr sind. Es wäre ja auch komisch gewesen, wenn dieser lange Kinderwunsch, den ich hatte, einfach so mit „okay, es klappt halt nicht“, weggehen würde. Den Wunsch nach einem leiblichen Kind loslassen, das dauert einfach ewig.

Aber ein Baby habe ich ja. Und das ist meine Selbstständigkeit, die ich gerade vorbereite. Auch wenn ich dieses Baby irgendwann zugunsten einer Elternzeit temporär auf Eis legen werde. Apropos Elternzeit: Eine große Ungerechtigkeit unseres Staates ist es, dass man als Pflegeeltern kein Elterngeld bekommt. Keine Ahnung, was die sich dabei gedacht haben. Ich habe auch schon an das Familienministerium NRW geschrieben. Deren Antwort fand ich wenig plausibel. Und das Pflegegeld, das wir erhalten werden, ist auch kaum mit dem Elterngeld vergleichbar. Wird schon irgendwie gehen, aber Sinn macht das Ganze nicht.

Leider sind Corona-bedingt zwei der vier Pflegeeltern-Seminare ausgefallen. Das ist echt schade, weil es schön war, andere zukünftige Pflegeeltern kennenzulernen. Und die Seminare selbst auch unheimlich interessant sind. Sie werden von Frauen gehalten, die selbst in der Familienhilfe oder Pflegekinderdienst tätig waren und die Geschichten, die sie als Beispiele anbringen, sind teilweise wirklich heftig und auch traurig. Fruchtbarkeit ist wirklich sehr ungerecht verteilt …

Bereue ich etwas?

Bis wir Eltern von einem Pflegekind sind, werden diese Zweifel wahrscheinlich noch regelmäßig hochkommen. Was mir hilft damit umzugehen, ist vor allem eine Selbsthilfegruppe für unerfüllten Kinderwunsch, der ich seit einem Jahr angehöre. Außerdem lese ich gerade ein Buch darüber, wie es in unserer Gesellschaft ist, eine Frau ohne Kinder zu sein* und habe auch einen neuen Podcast zum Thema entdeckt, wie man auch ohne Kind (über)lebt. 

Wenn mich jemand fragen würde, ob ich es bereue, dass ich meine Co-Elternschaft-Pläne aufgegeben habe, um mit Torsten zusammen zu sein? Nein, auf gar keinen Fall. Das, was ich jetzt habe, ist etwas, von dem ich nicht mehr dachte, dass es das für mich geben würde. Ich bereue nur, dass ich nicht schon mit Anfang 30 wusste, was man als Single-Frau für Möglichkeiten hat. Dann hätte ich mir vielleicht einigen Kummer erspart. Aber das Leben lässt sich eben nicht immer planen. Oder wie die Kölner gerne sagen: „Et kütt wie et kütt und hätt noch immer jot jejange.“

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