Wege zum Wunschkind gibt es für heterosexuelle Personen viele, doch für schwule Männer weniger. Zumindest als Patrick 2015 gemeinsam mit seinem eingetragenen Partner gerne Vater werden wollte. Patrick und sein Mann leben in Berlin, waren mal beide Flugbegleiter und haben zwei Söhne. Welche Möglichkeiten sie damals hatten und heute hätten, darüber habe ich mit Patrick im Interview gesprochen. Außerdem erzählt er uns, warum er unter dem Namen Regenbogenpapa auf Instagram aus seinem Leben als Regenbogenfamilie mit Pflegekindern erzählt.
Einen Kinderwunsch hatte ich schon immer
Hallo Patrick, ich freue mich sehr, dass es endlich geklappt hat. Fangen wir am besten ganz am Anfang an: seit wann hast du einen Kinderwunsch und hast du den immer kommuniziert?
Eigentlich seit ich denken kann. Ich war schon das Kind, das immer das Baby halten wollte im Spiel mit anderen. Mir war immer klar, dass ich ein Vater sein möchte. Als ich meinen Mann kennengelernt habe, war das auch sehr schnell ein Thema. Als schwules Paar sind die Hürden viel höher, das müssen beide wirklich wollen. Wir waren uns aber schnell einig. Uns war aber auch klar, es muss sich beruflich bei uns noch etwas ändern, also haben wir ein paar Jahre gewartet.
Adoption, Co-Elternschaft oder eine Leihmutter
2015 habt ihr dann angefangen, euch intensiv damit auseinanderzusetzen, welcher Weg für euch der richtige ist. Damals lebtet ihr schon in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft, aber die Ehe für alle gab es noch nicht.
Genau. Und das hat unsere Möglichkeiten auch sehr beschränkt. Eine Adoption war damals in Deutschland noch nicht möglich und auch im Ausland wurde das für schwule Paare genau zu dieser Zeit immer mehr eingeschränkt. Über eine Co-Elternschaft haben wir lange nachgedacht, aber wir wollten ja ein Kind, das ganz bei uns wohnt. Eine Mutter zu finden, die nur eine Tantenfunktion haben möchte, das erschien uns sehr schwer. Zumal es Websites wie familyship.org noch gar nicht gab.
Eine weitere Möglichkeit wäre eine Leihmutterschaft gewesen, die ist allerdings wirklich teuer und verschulden wollten wir uns nicht. Uns war es auch beiden nicht wichtig, dass das Kind unbedingt von einem von uns gezeugt sein sollte. Wir wollten ein Kind durchs Leben begleiten, die genetische Verwandtschaft stand nicht im Vordergrund. Für mich bedeutet Familie, dass Menschen sich lieben, respektieren und auf einander achten.
Regenbogenfamilie mit Pflegekindern
Und dann gab es noch die Pflegschaft?
Ja, das war tatsächlich das letzte Konzept, mit dem ich mich beschäftigt habe. Und das auch eigentlich nur, weil eine Freundin sich dafür interessierte und schon recherchiert hatte. Ich hatte ehrlich gesagt die ganz gängigen Vorurteile: Kinder aus schlimmen Verhältnissen, keine Sicherheit, ob das Kind bei uns bleibt, Kontakt mit der Herkunftsfamilie, Systemsprenger. Ich war sehr skeptisch. Aber da wir alle anderen alternativen Familienkonzepte schon ausgeschlossen hatten, blieb uns eigentlich nur noch die Pflegschaft.
Ich habe mich zusammen mit der Freundin für einen Infoabend angemeldet. Im Endeffekt sind mein Mann und ich gegangen, sie aber nicht. Und am Ende des Abends war uns klar: wir werden Pflegeeltern. Denn die Vorurteile, die wir hatten, sind genau das: Vorurteile, die nicht stimmen. Klar, es gibt Kinder, deren Päckchen so groß ist, dass sie kaum zurecht kommen, aber als Pflegeeltern kannst du im Vorhinein genau festlegen, wie du dich einschätzt, was du aushalten kannst. Die Vorurteile stimmen also nur zum Teil. Es wird zum Beispiel immer nach dem Kindswohl geschaut, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind nach Jahren wieder zur Herkunftsfamilie zurückmuss, wenn es das nicht ausdrücklich möchte, die ist gering.
Eine Kurs für Pflegeeltern
Ihr habt euch also direkt nach dem Infotermin für die Pflegeelternschulung angemeldet?
Genau. Den Kurs haben wir dann bei unserem Träger gemacht, Familien für Kinder. Dort wird man sehr gut vorbereitet. Wie gesagt können Pflegeeltern sehr genau angeben, was sie sich zutrauen. Ob ein Kind eine Behinderung haben darf, ob FAS-Syndrom (Alkoholsyndrom, weil die Mutter in der Schwangerschaft getrunken hat) ok ist, ob man es aushalten kann, wenn das Kind Missbrauch erfahren hat. Das klingt erstmal schlimm, aber Fakt ist eben auch: Kinder werden aus Familien geholt und wachsen in Pflegefamilien auf, wenn das Zuhause nicht ideal für sie ist. Da darf man sich auch nichts vormachen, die Kinder haben eventuell schon viel durchgemacht. Sie kommen ggf. mit einem großen Paket, auch wenn sie noch sehr klein sind.
Aber auch Alter, Anzahl der Kinder, Geschlecht, es gibt viele Kriterien, die beeinflusst werden können. Wir haben angegeben, dass wir gerne mehrere Kinder haben möchten, gar nicht unbedingt einen Säugling, sondern bis 2 Jahre. Und ich wollte gerne ein Mädchen.
Und jetzt hast du zwei Söhne.
Ja. Und ich könnte nicht glücklicher darüber sein.
Die beiden sind sogar leibliche Geschwister, altersmäßig ziemlich nah beieinander. Wie kamen eure Söhne zu euch?
So wurden wir Eltern
Erstmal hieß es warten. Durchschnittlich vergehen vom Infoabend bis zur Aufnahme eines Kindes ungefähr 9 Monate. Bei uns war es ähnlich. Ich war gerade auf einem Flug in die USA und hatte so ein merkwürdiges Gefühl. Als ich mein Handy angemacht habe, hatte ich Anrufe in Abwesenheit und wusste sofort: mein Kind ist da! Und so war es auch, als ich nach Hause kam, konnten wir unseren ersten Sohn relativ schnell kennenlernen. Er war drei Monate alt. Schon bevor ich ihn gesehen habe, wusste ich: das ist mein Sohn. Es war so ein Gefühl, ich war mir total sicher. Als wir ihn dann gesehen haben, waren wir sofort verliebt.
Und dann kam relativ schnell die Überraschung…
Ja, die Mutter unseres ersten Sohnes war sehr schnell wieder schwanger. Aufgrund ihrer persönlichen Situation war klar, dass sie das zweite Kind auch nicht behalten können wird. Sie hat uns also gefragt, ob wir auch dieses Kind aufnehmen werden. Das haben wir natürlich gemacht. Unser Großer war ein Jahr alt, als sein Bruder als Frühchen auf die Welt kam. Und wir auf einmal eine Regenbogenfamilie mit mehreren Pflegekindern waren. Es ging sehr schnell, aber wir fühlten uns dem gut gewachsen.
Diskriminierung als Regenbogenfamilie mit Pflegekindern
Bis dahin lief alles total entspannt, ihr wurdet im Prozess als schwules Paar nicht anders behandelt, als andere Pflegeeltern. Aber jetzt musstet ihr doch einiges hinnehmen, erzählst du uns das mal?
Ja, es fing im Krankenhaus an. Der Kleine war drei Monate zu früh, wog unter 2000g, ein Frühchen auf der Neo. Und hier hatten wir ziemliche Probleme, denn wir haben kein Familienzimmer bekommen. Da hatten Mütter Vorrang. Ich verstehe den Gedanken dahinter, aber es geht ja nicht um die Mutter, es geht um die Bedürfnisse des Kindes. Das Baby braucht seine Familie, egal, wer das ist. Sicher übernimmt traditionell eher die Mutter die Wochen im Krankenhaus, aber wenn ein Kind zwei Väter hat, ändert das ja nichts am Bedürfnis des Babys nach Kontakt. Besonders die Frühchen liegen eigentlich die ganze Zeit auf einem Elternteil und unserem Sohn sollte das nicht zustehen, weil er keine Mutter hat.
Das konnte ich nicht hinnehmen. Ich habe Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, vom Gleichstellungsbeauftragten des Senats bis zur Krankenhausleitung. Wir haben unser Familienzimmer dann bekommen. Aber daran habe ich gesehen, dass es noch so viel Aufklärungsbedarf gibt. Denn keiner wollte uns etwas Böses, aber zwei Väter hatte in der Verwaltung einfach niemand auf dem Schirm. Das war mit einer der Gründe, warum ich mich öffentlich dafür einsetze, dass Regenbogenfamilien mehr gesehen werden.
Mehr Aufmerksamkeit und Normalität für alternative Familienmodelle
Du erzählst deine Geschichte sehr offen und nimmst die Menschen auf Instagram mit durch deinen Alltag.
Ich möchte einfach, dass sich das öffentliche Bild von Familie wandelt. Wie sagst du immer: Familie ist für alle da? Genau das. ich möchte, dass es normal wird, dass ein Kind zwei Väter oder Mütter oder was auch immer hat. Familie ist nicht automatisch NUR die heteronormative Kleinfamilie. Ich hoffe einfach, dass wenn Regenbogenfamilien mehr in der Öffentlichkeit zu sehen sind, sich die Menschen mehr an uns gewöhnen. Nur so entsteht Normalität. Daher engagiere ich mich in der Kita, im Schwulenverband und eben auf Social Media.
Hast du denn schon merkwürdige Begegnungen gehabt?
Ziemlich oft. Nie wirklich böse gemeint, aber manche denken einfach nicht nach. Einmal hat mich im Bus eine Frau angesprochen, dass mein Kind ja gar nicht aussehen würde wie ich, wie übergriffig ist das denn bitte? Ich war mit dem 4jährigen alleine, also noch nicht mal als schwuler Mann zu erkennen. Aber das Kind versteht das doch, was denken die Leute nur? Nichts, im Zweifel. Als das Baby in der Trage unter einem Tuch war, hat eine Frau mal versucht zu schauen, ob es ihm gut geht. Das war schon sehr krass. sie hat es mir einfach nicht zugetraut. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.
Dein Tipp für andere?
Was rätst du anderen Männern mit Kinderwunsch?
Nicht beirren lassen. Es gibt mittlerweile für schwule Paare so viele Möglichkeiten. Seit es die Ehe für alle gibt, dürfen schwule Ehepaare ja auch ein Kind adoptieren. Das hätten wir damals gerne gemacht, leider war es nicht möglich. Aber so sind wir zu unseren großartigen Kindern gekommen, es war also irgendwie auch Schicksal.
Lieber Patrick, vielen Dank für deine Offenheit, ich finde es toll, dass du so für dein Familienmodell einstehst und andere aufklärst.
Diese Möglichkeiten haben schwule Paare
Wenn ihr verheiratet seid, gibt es folgende Wege zum Wunschkind:
- Co-Elternschaft
- Adoption in Deutschland oder im Ausland
- Pflegefamilie werden
- Leihmutterschaft
Alle Informationen dazu findest du auch auf regenbogen-portal.de.
Wenn du mehr über den Alltag einer Regenbogenfamilie mit Pflegekindern wissen möchtest, dann folge doch Patrick auf Instagram. Dort nimmt er dich mit in seine Welt und du erfährst auch noch mehr Details zu seiner Geschichte. Hast du noch Fragen? Dann schreib sie gerne hier in die Kommentare oder sprich mit uns auf Instagram.
