bearbeitet Okt 2022
Jetzt arbeite ich seit 6 Monaten wieder und möchte euch mal wieder von unserem Alltag erzählen. Wir leben quasi das Wechselmodell, allerdings etwas anders, als die Politik sich das so vorstellt. Das Wichtigste zuerst: obwohl das Kind mittlerweile ungefähr 40% seiner Zeit beim Papa verbringt und oh, wie krass, dort auch ein Kinderzimmer hat, bezahlt er mir weiterhin den vollen Unterhalt nach Tabelle, denn der gleicht meinen Rentenverlust aus. Das war unser privater Deal, der meines Erachtens wirklich Sinn ergibt. Übrigens auch bei ganz ‘normalen’ Paaren und Ehepaaren. Schau mal bei Madame Moneypenny, die hat dazu einiges zu sagen. Ich werde hier aufhören, sonst bekomme ich nur schlechte Laune. Ich wollte ja auch eigentlich von der Kinderbetreuung erzählen.
In Teilzeit Vollzeit-Papa sein.
Unser Situation ist sicher etwas besonders, denn wir arbeiten beide als Flugbegleiter. Wenn ich also 5 Tage auf Tour bin, dann muss der Papa sich um die Kleine kümmern, Co-Eltern hin oder her, bei uns Fliegern ist das eben so. Wir stimmen unsere Flüge ab, aber wenn ich eben nicht da bin, dann muss der Papa ran, Rosinen picken funktioniert da eher nicht. Vom Windel wechseln übers füttern bis zur Einschlafbegleitung, Papa ist verantwortlich. Da die Kleine nicht in die Kita geht sogar 24/7. An seinen Tagen im Monat ist er Vollzeit-Papa. Und er macht das großartig.
Es ist ja auch eine tolle Chance für einen Vater, beim Wechselmodell einfach mal für alles verantwortlich zu sein. Wenn er Lust dazu hat. Leider gibt es ja immer wieder genug Beispiele, dass der Vater entweder gar keinen Kontakt will oder nur, wenn es gerade passt oder nur, wenn das Kind sauber ist. Und nicht nervt. Oder teuer ist. Das ist wirklich schade, aber leider eine Realität. Für viel zu viele Alleinerziehende, was ich richtig schlimm finde.
Da haben wir es gut, denn unser Papa ist sehr engagiert. Deshalb habe ich ihn ja ausgewählt. Und gleichzeitig hat es sich ergeben, dass wir eine ziemlich moderne und gleichberechtigte Form der Elternschaft leben. Gelebte Vereinbarkeit. Wären wir ein Paar, wäre das so, wie wir es machen, natürlich nicht möglich. Wir geben uns mit der Kinderbetreuung quasi die Klinke in die Hand. Das Kind wird übergeben, wir schwätzen kurz und stimmen uns ab. Zusätzlich telefonieren wir jeden Tag via FaceTime, damit das Kind den anderen Elternteil jeden Tag sieht. Zeit zu zweit haben wir nicht, brauchen wir aber auch nicht. Streit und schlechte Vibes haben wir aber auch nicht.
Unser Wechselmodell funktioniert bis jetzt auch für die Kleine gut
Seit sie 16 Monate alt ist, übernachtet sie auch beim Papa. Wir haben uns da sehr langsam rangetastet und ihr das Tempo überlassen. Das funktioniert bis heute ziemlich gut. Natürlich gibt es auch mal Tränen, wenn Mama weggeht, aber im Großen und Ganzen hält sich das in Grenzen. Ist ja auch der Papa, bei dem sie dann ist, mit anderer Umgebung, anderem Spielzeug und dem Berliner Zoo um die Ecke. Beim letzen Mal kam sogar seine Mama für 3 Tage zu Besuch, da war die Freude auf allen Seiten groß.
Wie die beiden den Alltag unter sich regeln? Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Klar, er erzählt mir, was sie so machen und was sie gegessen hat und es gibt ein paar sehr klare Regeln was Zähneputzen und ähnliches betrifft. Ansonsten aber sind die beiden völlig frei im Umgang miteinander und solange das Kind lebendig und in einem Stück zu mir zurückkommt, mag ich mich da auch gar nicht einmischen.
Dank unserer Regelung bin ich beim Arbeiten ziemlich entspannt. Mir tut es weh, wenn sie weinen muss beim Abschied, aber nach wenigen Minuten kommt die Nachricht, dass alles gut ist. Sicher kommt da noch so mancher schwerer Abschied, aber das ist auch normal. Ich gehe schließlich bis zu 5 Tage weg, das ist für Kinder schon schwer. Je älter sie werden, desto mehr Zeitgefühl haben sie auch. Letztes Mal hat sie die Nächte runtergezählt, bis ich wieder da war. Das war schon herzzerreißend. Fakt ist aber auch: ich bin der Ernährer unserer 2 Personen Familie, ich muss arbeiten gehen. Es führt kein Weg daran vorbei.
Freiwillig getrennt erziehend mit Papa
Gerade deshalb ist unser Wechselmodell für mich so schön, ich lasse sie beim Papa und nicht bei einer Tagesmutter oder so. Das schaffen die Zwerge auch, wenn es eben nicht anders geht, aber da ich mich ja im Vorhinein für quasi alleinerziehend entscheiden habe, ist getrennt erziehend mit Papa für mich sicherlich die beste Wahl gewesen. So kann ich ohne schlechtes Gewissen auch mal meine Kindfreien Tage genießen. Die sind nämlich als Kleinkind-Mama extra wertvoll und dank Papa habe ich die nicht nur beim Arbeiten, sondern auch mal so. Einfach Zeit für mich.
Ein weiterer Bonus ist, dass meine Tochter auch gerne mal 2 Tage bei der Oma bleibt. Es hat schon die Situation gegeben, dass wir beide fliegen mussten und da blieb dann nur Oma. Für die Kleine ist das immer ein Highlight. Für die Oma natürlich auch. 3 Tage Megabespaßung bei Oma und Opa, das liebt sie sehr. Zumal die auf dem Land wohnen und nicht nur Bauernhof und See zu bieten haben, sondern auch einen riesigen Garten. Und das kleine blaue Auto. Noch vor ein paar Monaten des Kindes schlimmster Feind, fährt sie jetzt total stolz mit Oma Auto. Sehr gut, wir verreisen nämlich im Mai mit dem Auto.
Update 2022
Ein paar Jahre später ist unsere Situation etwas anders. Aufgrund von Corona, gesundheitlichen Problemen und sehr viel eigenen Vorstellungen einer Sechsjährigen ist unsere Verteilung der Betreuung mittlerweile eher bei 85/15 angekommen. Das ist auch eine Realität, es ist einfach nicht im Vorhinein ersichtlich, wie das Leben sich entwickeln wird.

Eine Frage zum ersten Absatz: Wenn das Kind inzwischen 40% der Zeit beim Vater ist, muss er dann inzwischen nicht auch Teilzeit arbeiten?
Du hast recht, er arbeitet 75%.
Entsteht dann nicht auch bei ihm eine Rentenverlust?
Nein, denn er arbeitet schon seit vielen Jahren 75%, das hat mit dem Kind nichts zu tun.
Liebe Jennifer,
mich interessiert, wieso du dich als „quasi alleinerziehend“ bezeichnest?
Ein aktiver Papa ist definitiv vorhanden und wenn die Kleine 40% beim Papa ist, sehe ich dich nicht als alleinerziehend, sondern als Partner eines starken ElternTEAMs, oder?! 🙂
Da wäre ich ams Papa doch leicht gekränkt, wenn ich durch den Terminus „quasi-alleinerziehend“ quasi wegretuschiert würde 😉
Liebe Ulla,
Du hast recht, das habe ich mißverständlich geschrieben, das quasi alleinerziehend bezieht sich auf meine Entscheidung, ohne festen Partner ein Kind zu bekommen und auf einen sehr frühen Artikel, ich habe ihn zum besseren Verständnis verlinkt. Und ja, der Terminus alleinerziehend ist anders zu verstehen, deshalb habe ich es auf getrennt erziehend geändert.