Diesen Erfahrungsbericht möchte ich unbedingt mit euch teilen, denn er zeigt leider, was in einer Co-Elternschaft so alles schiefgehen kann. Anders als Manuel und seine Co-Mama haben sich Bell und Bella ziemlich gut mit ihrem Co-Vater vorbereitet. Und stehen jetzt vor einem ganz anderen Problem: ihre Geschichte zeigt dir, wie es läuft, wenn der Co-Vater abspringt, direkt nach der Geburt. Und sie zeigt dir hoffentlich nochmal sehr eindrücklich, warum es so wichtig ist, sich neben der gemeinsamen Vorbereitung auch alleine abzusichern. Am besten beginnst du deine finanzielle Vorbereitung auf ein Kind schon so früh wie möglich, schon beim ersten Gedanken an ein Kind. Auch wenn du mit deiner/deinem zukünftigen Co-Partner*in die Checkliste für Co-Eltern gut durchgearbeitet hast, so solltest du im Hintergrund immer auf dem Schirm haben, dass es auch schief gehen kann mit einer Co-Elternschaft. Und dir bereits im Vorhinein im Klaren sein, was da finanziell auf dich zukommt. Auch auf lange Sicht. Wenn du geplant hast, recht schnell wieder arbeiten zu gehen und nun doch zu Hause bleiben musst, weil der andere Co-Elternteil abgesprungen ist, dann kann das sich sogar auf deine Rente auswirken. Willkommen in der Teilzeitfalle!
Bell und Bella
Bell und Bella, die natürlich nicht so heißen, sind ein verheiratetes lesbisches Paar aus Süddeutschland. Sie sind seit 7 Jahren zusammen, seit 3 verheiratet. Schon als sie frisch zusammen waren, sprachen sie über gemeinsame Kinder. Vor 3 Jahren haben sie geheiratet, denn eine Ehe macht es einfacher, den harten und absolut unnötigen Weg der Adoption des Kindes durch die nicht austragende Person zu gehen. Wie der Prozess der Stiefkindadoption genau funktioniert, erklärt der Ratgeber des LSVD. Wenn du dazu noch mehr wissen möchtest, schau bei nodoption.de vorbei.
Bel und Bella wollten gerne, dass eine Frau das Kind austrägt und die andere es adoptiert. Trotzdem sollte das Kind einen aktiven Vater haben. Sie entschließen sich also zu einer Co-Elternschaft. Ein Vater ist schnell gefunden, ein langjähriger Freund der beiden ist begeistert von der Idee, auf diese Weise Vater zu werden. Die Voraussetzungen scheinen perfekt zu sein. Bella erzählt dir nun die Geschichte aus ihrer Sicht.
So sollte unsere Co-Elternschaft aussehen
Wir haben uns 2019 entschieden, eine Co-Elternschaft zusammen zu gründen. Abgemacht war eine richtige Vaterfunktion, er ist sogar extra dafür aus Hamburg nach Süddeutschland gezogen. Wir haben besprochen, dass er nicht in die Geburtsurkunde eingetragen wird, da meine Frau das Kind sonst nicht adoptieren kann. Er hat also notariell seine Vaterschaft abgetreten für die Adoption. Trotzdem wollten wir immer (und das haben wir auch schriftlich festgehalten), dass er möglichst ganz normal als Vater fungiert. Sprich, wenn das Kind in die Kita kommt, wird er abholberechtigt, er bekommt eine Vollmacht für den Kinderarzt, etc etc. Da wir sowieso ein sehr enges freundschaftliches Verhältnis hatten, schon über ein paar Jahre hinweg, wollten wir den engen Kontakt beibehalten. Er sollte das Kind mindestens einmal die Woche sehen, gerne mehr. Das sollte sich dann ergeben, wenn das Kind etwas älter ist.
Nach intensiver Vorbereitung haben wir es mit der Bechermethode versucht. Gleich der zweite Versuch hat geklappt. Der Vater war so aufgeregt, es war toll. In der Schwangerschaft war alles bestens. Wir hatten wie immer engen Kontakt, wenn möglich war er bei jeder Vorsorgeuntersuchung dabei. Wir haben sogar die Erstausstattung gemeinsam gekauft. Dann kam Corona und die Geburt verlief leider unter Corona-Bedingungen. Selbst meine Frau konnte nur die letzte Stunde bei mir im Kreißsaal dabei sein. Geplant war eigentlich, dass er bei der Geburt dabei ist. Er hat sein Kind aber direkt am Tag der Entlassung gesehen. Ich bin mehr oder weniger nach 18 Stunden geflüchtet, früher wäre es mir körperlich nicht möglich gewesen. Dass der Co-Vater trotzdem abspringt, das hätte ich nie gedacht. Die verpasste Geburt kann auch nicht der Grund sein, andere Väter sind in diesen Zeiten ja auch nicht wirklich mehr involviert in diesem Vorgang.
Nach der Geburt konnte er mit dem Kind nichts anfangen
Ab da ging es eigentlich los. Das Wochenbett war ebenfalls zu dritt geplant, eine Hand mehr ist eine Hand mehr. Im Endeffekt war das leider nicht möglich. Er hat sich von vorne bis hinten bedienen lassen, hat es aber zeitgleich überhaupt nicht geschafft, mit dem Kind in Kontakt zu treten. Das ist über die Monate auch nicht besser geworden. Er sprach einmal von Überforderung. Und wir glauben, das ist es auch immer noch. Ansonsten hat er sich aber nicht einmal geäußert, was das Problem ist. Und obwohl wir immer wieder versucht haben, herauszufinden, was los ist, weigert er sich, darüber zu sprechen.
Wir haben uns als Paar sehr bemüht ihn einzubinden, haben Treffen organisiert, ihm gut zugeredet, immer wieder versucht herauszufinden, was eigentlich das Thema ist. Nach 6 Monaten haben wir angesprochen, was denn mit seiner zugesicherten bzw. gemeinsam ausgemachten finanziellen Unterstützung sei, die hatte er bis dato nicht einmal gezahlt. Und tut es auch weiterhin nicht. Zum Glück sind wir beide finanziell in einer guten Lage, sonst wäre das noch ein zusätzliches Problem geworden. Denn wenn der Co-Vater einfach abspringt, muss das auch erstmal kompensiert werden.
Das Kind ist jetzt 9 Monate alt. Es fällt ihm nach wie vor schwer eine Bindung aufzubauen, er ist wie blockiert, kann keinen Kontakt herstellen. Es scheint für ihn nicht sein Kind zu sein, obwohl wir wirklich alles versucht haben, ihm das Gefühl zu geben, gebraucht zu werden. Er hat keinerlei Interesse daran, die Babypflege zu lernen oder zu übernehmen, bis heute war er mit dem Kind nicht einmal alleine. Wir können richtig sehen, wie er sich versteift, wenn das Baby auf seinem Arm ist. Dieses Leuchten, das junge Eltern eigentlich immer in den Augen haben, wenn sie ihr Kind sehen, das fehlt bei ihm. Eigentlich treffen auf ihn alle Kriterien einer Postnatalen Depression zu. Aber da er sich weigert, darüber zu reden, können wir ihm nicht helfen.
Er meldet sich immer weniger
Der Kontakt wurde kontinuierlich immer weniger, schleichend eigentlich. Er fing an, Ausreden zu bringen, warum er nicht kommen kann. Hat sich immer weniger gemeldet. Er reagiert kaum auf Bilder des Kindes, die wir ihm zusenden. Wir wollten ihm seinen Raum lassen, erzwungen werden kann die Liebe zum eigenen Kind ja nicht. Wir haben es also ein paar Monate ausgesessen, bis wir im Januar 2021 von unserer Seite aus nochmal das Gespräch gesucht haben, mit einem neutralen Mediator. Leider hat auch das nicht geholfen.
Im Moment sieht er sein Kind sehr unregelmäßig, er ist quasi für das Kind nicht existent. Zumindest nicht als Vater. Wir sind sehr enttäuscht, auch wütend und verstehen nicht, was genau ihn so blockiert. Das, was wir wollten, nämlich einen greifbaren Vater, eine erweiterte Familie, das haben wir keineswegs. Er ist, wenn überhaupt, jetzt in einer Onkelfunktion. Seinen echten Onkel sieht das Kind regelmäßiger und hat dort auch eine engere Bindung. Wir glauben an die Idee der Co-Elternschaft, aber nicht mehr an unseren Co-Papa. Wir wüssten ehrlich gesagt nicht, wie wir uns hätten besser oder anders vorbereiten sollen. Mehr als intensive Gespräche über gemeinsame Vorstellungen und Wünsche kann man ja nun auch nicht machen. Wir haben ja sogar unsere Übereinkunft schriftlich festgehalten. Wir sind sehr ratlos.
Die Tür steht, von unserer Seite aus, nach wie vor offen. Alleine schon für unser gemeinsames Kind. Aber wir sind sehr verletzt.
Wenn der Co-Vater abspringt
Bei Bell und Bella ist es zum Glück keine komplette Katastrophe, dass der Co-Vater kein Interesse am Kind hat. Die beiden haben sich, sie sind auf finanzielle Hilfe nicht angewiesen. Immerhin. Trotzdem ist es schmerzhaft, wenn die Pläne für das eigenen Kind nicht aufgehen. Und eine herbe Enttäuschung, dass der Vater seinem Kind gegenüber so gleichgültig ist. So etwas passiert, wie oft kann ich nicht sagen. Sicher seltener bei Co-Eltern, denn eigentlich wünschen sich ja beide Teile das Kind und sind durch lange Gespräche gut vorbereitet. In einer Beziehung, wenn das Kind zufällig und nicht gewünscht entstanden ist, vielleicht öfter? Dann trennt sich der Vater wahrscheinlich.
Fest steht aber auch, du kannst in keinen anderen Menschen reinschauen. Und keine*r weiß, wie sie/er auf ein Kind reagieren wird. Mutter und Vater werden genauso geboren wie das Baby. Denn egal wie pragmatisch eine Co-Elternschaft auf den ersten Blick wirkt, es sind doch Menschen beteiligt. Und jede*r hat das Recht, seine Meinung zu ändern. Beziehungen sind in Bewegung, alle, auch die ohne romantisches Interesse. Ich hatte auch schon den Fall, dass ein Co-Vater so begeistert Vater war, dass er viel mehr Zeit mit dem Kind wollte, als ursprünglich vereinbart. Und so hart das für die Mutter war, so bedeutet Eltern sein doch immer einen Kompromiss, von allen Beteiligten. Wenn nicht alle Parteien flexibel und gesprächsbereit sind, dann kann ein Vater, der mehr Vater sein will, genauso ein Problem werden wie ein Co-Vater der abspringt.
Deshalb beharre ich so sehr auf eine gute Vorbereitung. Mit dem Co-Partner, aber auch alleine. Finanzielle Unabhängigkeit garantiert dir immer eine gewisse Sicherheit, übrigens auch in einer Beziehung. Wenn der Co-Vater aber abspringt, obwohl du auf seine finanzielle Unterstützungen Betreuung angewiesen bist, was dann? Ist es dann nicht besser, wenn du zwar sauer auf ihn bist, aber es keine Auswirkungen auf dein Leben hat, die Katastrophe einfach ausbleibt?
Hast du auch eine schlechte Erfahrung mit einer Co-Elternschaft gemacht? Oder eine gute? Erzähl mir doch davon!
